Überfallartige Durchsuchung des Büros der Öcalananwälte

Internationale Initiative
Freiheit für Abdullah Öcalan -
Frieden in Kurdistan
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Überfallartige Durchsuchung des Büros der Öcalananwälte

Am 3. Dezember 2004 wurden in Istanbul die Räumlichkeiten des Asrin Hukuk Büro, das Abdullah Öcalan rechtlich vertritt, von Einheiten des Anti-Terror-Kommandos überfallartig durchsucht. Die Untersuchung dauerte ca. dreizehn Stunden. Zahlreiche Akten, Unterlagen und Bücher sowie die Computer des Büros wurden beschlagnahmt. Die Polizeiaktion wurde mit den Haftbefehlen begründet, die erst kürzlich gegen zwei der Verteidiger Öcalans, Irfan Dündar und Mahmut Sakar, ergangen waren. Diese Begründung ist mehr als fragwürdig, da die Privatwohnungen der genannten Anwälte von der Durchsuchung ausgespart wurden. Vielmehr deutet alles darauf hin, dass sich die Aktion insgesamt gegen das Büro richtete. Gleichzeitig ist diese Aktion ein Novum. Selbst in der heißen Phase nach der völkerrechtswidrigen Verschleppung des Kurdenführers am 15. Februar 1999, als es zu tätlichen Übergriffen auf seine Verteidiger kam, gab es kein vergleichbares Beispiel. Bisher wurden jedoch einige Hundert Ermittlungsverfahren gegen die Verteidiger Öcalans eingeleitet.

Hintergrund

In den letzten Wochen ist der Druck auf die Rechtsanwälte von Abdullah Öcalan spürbar verstärkt worden. Dem waren verschiedene Äußerungen ranghoher türkischer Militärs vorausgegangen, in denen Öcalans Rechtsvertreter als dessen Handlanger bezeichnet wurden, mittels derer Öcalan seine Organisation führe. Abgesehen davon, dass dies aus der Isolationshaft kaum möglich wäre, stören sich die Militärs an der weiterhin ungebrochenen Sympathie der Kurden für Abdullah Öcalan und dem positiven Einfluss, den er nach wie vor auf die Politik des Landes ausübt. Außerdem bemängelten die Militärvertreter, dass bisher sämtliche Verfahren, die gegen die Öcalan-Anwälte eingeleitet wurden, ohne Folgen geblieben seien. Infolgedessen leitete die Staatsanwaltschaft weitere Verfahren gegen die Rechtsanwälte Dogan Erbas, Aysel Tugluk, Okan Yildiz, Bekir Kaya, Devrim Baris Baran und Ayse Batumlu ein. Die “Kampagne” gegen die Rechtsvertreter Öcalans ging sogar soweit, dass der Militärstaatsanwalt beim türkischen Justizministerium die Genehmigung beantragte, die Rechtsanwälte vor einem Militärgericht anklagen zu dürfen.

Was wird mit diesem Vorgehen beabsichtigt?

Im Zusammenhang mit der EU-Beitrittsdebatte in der Türkei erscheint obiges Vorgehen in einem anderen Licht. Nach wie vor bekleiden reformfeindliche Kräfte innerhalb des Staates einflussreiche Positionen. Insbesondere die alte Garde der türkischen Armee kann sich nur schwer mit einem Demokratisierungsprozess des Landes abfinden, in dessen Verlauf sie ihren bisherigen Einfluss und ihre bisherige Macht verlieren würde. Insbesondere die kurdische Frage wird von ihnen als Bedrohung für die Einheit des Landes aufgefasst. Dem liegt eine lange Tradition der Verleugnungs- und Vernichtungspolitik gegenüber den Kurden zugrunde, welche die Militärs als selbsternannte Hüter des Staates aus der türkischen Verfassung ableiten, die auf dem Territorium der Türkei keine andere Ethnie als die der Türken anerkennt. So werden sämtliche Versuche, aus dem maroden Staatsaufbau des Landes eine moderne Demokratie zu formen, als unmittelbare Gefahr für den Fortbestand der Türkei gesehen. Dies schlägt sich auch in einer scharfen EU-kritischen Haltung der Militärs und einiger kemalistischer Eliten nieder. Hierbei scheint ihnen insbesondere die konstruktive Rolle Abdullah Öcalans bei der Suche nach einer politischen Lösung der kurdischen Frage und der demokratischen Transformation des Landes ein Dorn im Auge zu sein. Die Verschärfung seiner Haftbedingungen, die Ausweitung seiner Isolation und die Diskreditierung seiner Rechtsvertreter so nur die logische Konsequenz.

Erneute Einschüchterungsversuche gegenüber den Kurden

Insbesondere die Kurden der Türkei sehen im Beitrittsprozess zur EU eine Möglichkeit, ihre politischen und kulturellen Rechte zu verwirklichen. Aus diesem Grund unterstützen sie mehrheitlich die Beitrittsambitionen der Türkei. So scheint die kurdische Frage zu einem Lackmustest für die die Aufnahme der Türkei in die EU zu werden. Eine erneute Verschärfung des türkisch-kurdischen Konfliktes, welche die reform- und demokratiefeindlichen Kräfte innerhalb der Türkei forcieren, würde den Beitrittsprozess der Türkei gefährden. Mit extralegalen Hinrichtungen, wie der des zwölfjährigen Ugur Kaymaz und seines Vaters in Mardin/Kiziltepe vor zwei Wochen, sowie der des 19jährigen Hirten Fevzi Can in Semdinli, als auch mit der „Kampagne“ gegen die Rechtsanwälte Öcalans soll die kurdische Öffentlichkeit eingeschüchtert und zu unüberlegten Handeln provoziert werden. Gleiches gilt auch für den KONGRA-GEL. So reagieren die Kurden insbesondere auf Angriffe gegen die Person Abdullah Öcalans sensibel, da dieser auch nach seiner völkerrechtswidrigen Verschleppung in weiten Teilen der kurdischen Gesellschaft ein hohes Ansehen genießt.

Die internationale Öffentlichkeit ist gefordert

Als Internationale Initiative unterstützen wir den EU-Beitritt der Türkei, wenn damit die Lösung der kurdischen Frage und eine wirkliche Demokratisierung des Landes verbunden sind. Jedoch vertreten wir die Auffassung, dass der Beitrittsprozess nicht nur eine Angelegenheit von Brüssel und Ankara ist. Vielmehr ist es nötig, mit zivilgesellschaftlichen Initiativen diesen Prozess zu begleiten. Jeder Protest gegen Menschenrechtsverletzungen und Beschneidung von demokratischen Freiheiten in der Türkei gewinnt im Zusammenhang des Beitrittsprozesses an Gewicht. Die internationale Öffentlichkeit ist gefordert.
Seit Jahren arbeiten wir mit den Verteidigern von Abdullah Öcalan zusammen. Neben ihrer anwaltlichen Beschäftigung haben sie sich stets für eine friedliche Lösung des türkisch-kurdischen Konflikts und für die Demokratisierung des Landes eingesetzt. So begreifen sie sich nicht nur als Anwälte, sondern auch als Menschenrechtsaktivisten, die sich um die weitere Zukunft ihres Landes sorgen. Oftmals übermittelten sie der türkischen und kurdischen Öffentlichkeit die Lösungsvorschläge und Friedensangebote ihres Mandanten. Das geschah oft unter hohem Risiko. Viele von ihnen sehen sich massiven staatlichen Repressionen ausgesetzt. Nach jedem Mandantenbesuch müssen sie mit staatlicher Verfolgung rechnen. Unter den jetzigen Bedingungen sind ihnen eine angemessene Ausübung ihres Berufes und eine adäquate Verteidigung ihres Mandanten fast unmöglich. Dies zeigt, dass die Türkei noch weit von Rechtstaatlichkeit entfernt ist. Deshalb bedürfen die Menschenrechtsaktivisten in der Türkei, und somit auch die Öcalananwälte, dem Schutz und der Unterstützung der internationalen Öffentlichkeit. Diese zu gewähren, dazu laden wir Sie ein. Protestieren sie gegen das illegale Vorgehen der türkischen Behörden!
PROTESTFAX AN:

Mr. Cemil Çiçek, Ministry of Justice, Adalet Bakanligi, 06659 Ankara, TÜRKEI
(Justizminister – korrekte englische Anrede: Dear Minister)
E-Mail: cemilcicek@adalet.gov.tr
Telefax: (00 90) 312 417 7113

KOPIE AN:

Mr Abdullah Gül, Foreign Minister and State Minister for Human Rights, Office of the Prime Minister, Basbakanlik, 06573 Ankara, TÜRKEI (Außenminister – korrekte englische Anrede: Dear Minister)
E-Mail: abdullah.gul@basbakanlik.gov.tr

Botschaft der Republik Türkei, Rungestraße 9, 10179 Berlin
(S. E. Herrn Mehmet Ali Irtemcelik)
Telefax: 030-2759 0915
E-Mail: turk.em.berlin@t-online.de