Der Fall Öcalan: 3. Jahrestag eines Piratenaktes

14. Februar 2002

Pressemitteilung der Internationalen Initiative

Der Fall Öcalan: 3. Jahrestag eines Piratenaktes

Am 15. Februar 1999 wurde der PKK-Vorsitzende Abdullah Öcalan aus Kenia in die Türkei verschleppt - im Zusammenwirken verschiedener Geheimdienste unter Führung der amerikanischen CIA. Auch drei Jahre später sind die Verantwortlichkeiten für dieses völkerrechtswidrige Vorgehen nicht vollständig geklärt. Nach wie vor weisen Griechenland, Italien, Russland, Israel und Deutschland alle Verantwortung von sich. Diese Frage wird daher nun vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte zu klären sein, wo eine Beschwerde Abdullah Öcalans auch gegen die genannten Länder anhängig ist.
Der 15. Februar 1999 war aber auch der Auftaktakt zu einem politischen Prozess, den alle Beteiligten bis dahin nicht für möglich gehalten hatten. Befürchtungen, dieser Akt internationaler Piraterie werde den türkisch-kurdischen Konflikt eskalieren, erwiesen sich als unbegründet. Dies war in erster Linie dem erneuten Friedensangebot von Abdullah Öcalan geschuldet, an dem die PKK seit ihrem einseitigen Waffenstillstand von 1993 festhält. Die Einstellung des bewaffneten Kampfes, der Rückzug der bewaffneten Kräfte auf Territorien außerhalb der Türkei und das Bekenntnis, eine Lösung der kurdischen Frage ausschließlich auf politischem Wege erreichen zu wollen, schufen ein Klima von relativer politischer Entspannung.

Die türkische Politik kündigte Schritte in Richtung Demokratisierung an. Anfang Dezember 1999 wurde der Türkei der Kandidatenstatus für eine Mitgliedschaft in der EU zuerkannt, was weitere öffentliche Diskussionen um einen demokratischen Umbau nach sich zog. Nach anfänglicher Euphorie machte sich sehr schnell Ernüchterung breit. Immer noch ist die Türkei weit von der Erfüllung der Kopenhagener Kriterien entfernt, welche die Zuerkennung von kulturellen und sprachlichen Rechten an Minderheiten zur Voraussetzung für eine Aufnahme in die EU machen. Nach wie vor ist die Menschenrechtslage katastrophal, wird gegen politisch Andersdenkende hart vorgegangen und an der klassischen Politik in der kurdischen Frage festgehalten. Trotzdem suchen die Kurden weiter eine politische Lösung des Konfliktes. Der Umgang mit der kurdischen studentischen Kampagne für muttersprachlichen Unterricht in der Türkei zeigt jedoch, wie schwer den herrschenden Eliten ein längst überfälliges Umdenken fällt.
Neuen Wind für einen möglichen Friedensprozess verspricht die aktuelle Ankündigung der PKK, ihre Aktivitäten in der Türkei und in Europa einzustellen. Selbst eine Namensänderung wird erwogen. Mit diesem Schritt setzt sie ihre Transformation in eine rein politische Organisation fort. Dies bietet Europa unverhofft eine Gelegenheit, auf den Demokratisierungsprozess in der Türkei verstärkt einzuwirken. Dieser wird jedoch immer offener von denjenigen Kräften innerhalb des türkischen Staates torpediert, die aufgrund ihrer ökonomischen Interessen nicht an einer friedlichen Lösung des Konfliktes interessiert sind, jenen Kräfte also, die auch weiterhin auf der Vollstreckung des Todesurteils an Abdullah Öcalan beharren. Dieser ist jedoch auch nach seiner Inhaftierung bei der Mehrheit der kurdischen Bevölkerung die unumstrittene Führungspersönlichkeit. So erscheint die Annahme realistisch, dass die Lösung der kurdischen Frage in der Türkei eng mit dem weiteren Schicksal des Kurdenführers verbunden ist. Für viele Kurden ist er der Garant eines Friedens- und Demokratisierungsprozesses. Deshalb muss auch in seinem Fall eine Perspektive absehbar und erkennbar werden, eine Perspektive, die nur im Zuge einer Lösung der kurdischen Frage in der Türkei denkbar ist.
Dies kann der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte allein jedoch nicht bewerkstelligen. Europa muss wie bei vergleichbaren Problemen die Initiative ergreifen. Ein erster Schritt kann hier eine internationale Kurdenkonferenz sein. Denn nur mit einem aktiven Engagement lassen sich Stabilität und Sicherheit in einer Region erreichen, die Europa näher ist als man denkt.
Wir rufen deshalb die kritische Öffentlichkeit auf, sich für die Freilassung Abdullah Öcalans einzusetzen.

"Freiheit für Abdullah Öcalan - Frieden in Kurdistan"