OFFENER BRIEF AN DIE MITGLIEDER DES
AUSWÄRTIGEN AUSSCHUSSES IM EUROPAPARLAMENT

Internationale Initiative
Freiheit für Abdullah Öcalan - Frieden in Kurdistan
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Beratung des Auswärtigen Ausschusses am 16. März 2004
Berichtsentwurf von Arie M. Oostlander zur Türkei

OFFENER BRIEF AN DIE MITGLIEDER DES AUSWÄRTIGEN AUSSCHUSSES IM EUROPAPARLAMENT

Köln, 16. März 2004

Sehr geehrtes Ausschussmitglied,

Weder das Europäische Parlament noch die Kommission oder der Rat konnten sich bisher entschließen, die kurdische Problematik in der Türkei beim Namen zu nennen. Stattdessen erscheint dieses Thema auch in diesem Berichtsentwurf wieder implizit unter Minderheitenschutz. Wir möchten die anstehende Beratung dieses Entwurfs gerade auch im Lichte der im Dezember anstehenden Entscheidung der Europäischen Union über die Aufnahme von Beitrittsverhandlungen mit der Türkei zum Anlass nehmen, hierzu erläuternd Stellung zu nehmen.
Eine Verhaltensänderung seitens der Türkei im Sinne einer Respektierung der Kurden als ethnische und kulturelle Gruppe wird nach unserer Erfahrung und festen Überzeugung nicht zu erreichen sein, wenn diese Gruppe in den Dokumenten der Union nicht namentlich genannt wird.
Die stattdessen in allen bisherigen Berichten immer wieder eingebrachte allgemeine Forderung nach einem Minderheitenschutz entsprechend den Standards der Union greift zu kurz. An diesem Punkt beruft sich die Türkei auf den Vertrag von Lausanne, in dem die Kurden keine Erwähnung als Minderheit finden. Mit anderen Worten, es ist hier die verfassungsrechtliche Etablierung der Kurden als nationale Minderheit in der Türkei zu fordern, um ihnen die gleichen Rechte zu gewährleisten, die andere nationale Minderheiten in der Union seit langem genießen.
Es reicht an dieser Stelle keineswegs aus, eine nicht-minimalistische Auslegung des Vertrages von Lausanne zu fordern, da sich dieser Vertrag - und so wird es in allen seinen Auslegungen seit seiner Unterzeichnung deutlich - nicht auf die Kurden, sondern nur auf die christlichen Minderheiten in der Türkei bezieht. Eine andere Auslegung des Vertrages käme im Grunde einer Revision von Lausanne in bezug auf die Stellung des kurdischen Volkes in der Türkei gleich. Dies hat die Türkei bisher immer abgelehnt.
Es scheint uns daher, um die Rechte der kurdischen Volksgruppe zu schützen und die Minderheitenrechte in der Türkei an die Standards der Union heranzuführen, eine entsprechende Änderung der türkischen Verfassung zwingend notwendig.
Wir fordern die Mitglieder des Auswärtigen Ausschusses deshalb auf, demgemäße Formulierungen in ihren Bericht aufzunehmen, die sowohl das kurdische Volk beim Namen nennen als auch die von der Türkei zu erwartenden verfassungsrechtlichen Klarstellungen in aller Deutlichkeit vermitteln.

Anmerkung:
Art. 38 bis 45 des Vertrages von Lausanne garantiert die "Rechte der Minderheiten". Hierzu erklärt Ismet Pascha Inönü, Premierminister und Leiter der türkischen Delegation in Lausanne in der Sitzung am 23. Januar 1923:
,,Die Regierung der Großen Nationalversammlung der Türkei ist die Regierung der Kurden genauso wie die der Türken, denn die wahren und legitimen Vertreter der Kurden haben ihren Sitz in der Nationalversammlung und haben im gleichen Maße wie die Vertreter der Türken, an der Regierung und Verwaltung des Landes ihren Anteil."
(Franz. Außenministerium, Documents diplomatiques: Conférence de Lausanne", Paris 1923, S.283, 284)