Alter Wein
in neuen Schläuchen
oder
erwartet die Kurden ein neues Lausanne?
Internationale
Initiative
Freiheit für Abdullah Öcalan - Frieden in Kurdistan
Pf.: 100511, D-50445 Köln
E-Mail: info@freedom-for-ocalan.com
Url: www.freedom-for-ocalan.com
Köln,
19. April 2002
International
Initiative Briefings:
Alter Wein in neuen Schläuchen
oder
erwartet die Kurden ein neues Lausanne?
Europäische
Außenpolitik auf Abwegen
Seit dem 16.
April 2002 ist es offiziell. Die PKK ist Geschichte. Mit der Gründung
des Freiheits- und Demokratie Kongresses Kurdistans (KADEK) vollzieht
sich die letzte Etappe eines Prozesses, der mit dem Strategiewechsel
der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) seit dem 1. September 1999
seinen Anfang nahm. Demnach soll eine Lösung der kurdischen
Frage ausschließlich auf politischen Wege erreicht werden.
Während die Kurden eine neue Ära ihres Strebens nach
Anerkennung ihrer politischen und kulturellen Rechte einläuten,
scheint im Denken der politischen Verantwortlichen der Europäischen
Staatengemeinschaft der eisige Wind des kalten Krieges zu wehen.
Was ist passiert?
Trotz kritischer Stimmen innerhalb der EU wurde Ende 1999 die
Türkei in den Kreis der Beitrittskandidaten aufgenommen.
Dies rief in der Türkei eine nationale Euphorie hervor, die
mit der Hoffnung auf einen schnellen Beitritt verbunden war. Jedoch
machte sich sehr schnell Ernüchterung breit. Voraussetzung
für die Aufnahme von Beitrittsgesprächen ist die vollständige
Erfüllung der sogenannten "Kopenhagener Kriterien".
Diese implizieren unter anderem den Schutz von Minderheiten und
eine strukturelle Angleichung an das europäische Rechtssystem.
Die vollständige Abschaffung der Todesstrafe, die Zuerkennung
des Rechts auf muttersprachlichen Unterricht und die Zulassung
von muttersprachlichen Sendungen in TV und Radio, sowie die Lösung
des Zypernkonfliktes, sind immer wieder Gegenstand der hart geführten
politischen Auseinandersetzung der Türkei. Die Befürworter
von umfassenden Reformen haben dort einen schweren Stand. Das
anachronistische Denken der herrschenden Eliten ist noch allzu
sehr mit konservativen Relikten aus der Gründungszeit der
Republik behaftet. Die kurdische Demokratiebewegung begrüßte
den Beschluss von Helsinki, da sie sich davon wichtige Impulse
für einen wirklichen Demokratisierungsprozess versprach,
in dessen Verlauf auch die kurdische Frage lösbar wäre.
Vorausgegangen war die einseitige Beendigung des Krieges durch
die Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) und der Rückzug ihrer
Kräfte außerhalb des Territoriums der Türkei.
So erklärte sie, dass sie von nun ab den Kampf für eine
Lösung der kurdischen Frage mit ausschließlich politischen
Mitteln führen und sich mittelfristig in eine reine politische
Organisation transformieren werde. Bis heute hat sich an dieser
Haltung nichts geändert.
Mit den Angriffen auf die Vereinigten Staaten von Amerika am 11.
September 2001 musste sich zwangsläufig die weltpolitische
Lage ändern. Der Beginn der weltweiten "Antiterrorkampagne",
in der sich die USA maßgeblich engagiert, vermischte sich
vielerorts mit der Hoffnung, für den repressiven Umgang mit
eigenen innerstaatlichen Konflikten ein Mehr an internationaler
Akzeptanz erzielen zu können. So auch die Türkei. Nichts
lässt sie unversucht, ihren Gegenpart im türkisch-kurdischen
Konflikt politisch zu isolieren. So glaubt sie den immer eindringlicher
werdenden kurdischen Demokratieforderungen Herr werden zu können.
Für Kenner der Europapolitik ist es kein Geheimnis, dass
die Türkei in sämtlichen außenpolitischen Aktivitäten
verstärkt auf die Aufnahme der zur Geschichte gewordenen
PKK in die "Terrorliste" der EU drängt. Was verspricht
sie sich wirklich davon? Ein solcher Schritt würde den kurdischen
Forderungen nach Demokratie und Anerkennung ihrer politischen
und kulturellen Rechte einen entscheidenden politischen Schlag
versetzen. Demnach würden wenige kosmetische Reformen genügen,
den Weg zu Beitrittsgesprächen zur EU zu ebenen. Dabei wird
an die Nennung eines festen Termins bis Ende diesen Jahres gedacht.
Diese Forderung wird insbesondere von den USA unterstützt,
die eine schnellstmögliche Aufnahme der Türkei in die
EU befürwortet. Diesem machtvollen Drängen kann sich
die EU derzeit nicht ganz verschließen. Deshalb versuchen
die Befürworter eines Beitritts die Gunst der Stunde zu nutzen
und mögliche Hindernisse so früh wie möglich zu
beseitigen. Die Türkei erhofft sich von dem oben genannten
Bestreben die kurdische Stimme von der internationalen Bühne
zu isolieren und so denjenigen Faktor zu beseitigen, der am meisten
auf eine umfassende demokratische Neukonstituierung des Staatssystems
der Türkei drängt. Dabei richtet sie ihr Augenmerk insbesondere
auf Spanien, das die derzeitige Ratspräsidentschaft inne
hat, aber auch auf die Bundesrepublik Deutschland, England und
Dänemark.
So dürften die herrschenden Eliten der Türkei über
die Äußerungen des dänischen Ministerpräsidenten
Rasmussen hoch erfreut gewesen sein. Dieser hatte am 5. April
2002 auf einer gemeinsamen Pressekonferenz mit dem türkischen
Ministerpräsidenten Ecevit, die PKK als "terroristische
Organisation" bezeichnet, die man in die "Terrorliste"
der EU aufnehmen müsse. Weiterhin bezeichnete er die Reformbemühungen
der Türkei als fortgeschritten, weshalb die Nennung eines
Termins für die Aufnahme von Beitrittsgesprächen angebracht
wäre. Vielleicht kann man die Äußerungen von Rasmussen
auch als Unerfahrenheit auf internationalem politischen Parkett
bezeichnen. Jedoch erscheinen diese angesichts der in zwei Monaten
beginnenden Ratspräsidentschaft Dänemarks in einem anderen
Licht. Hier kann man sich nicht dem Eindruck erwehren, dass er
im Auftrag der Befürworter einer schnellen Aufnahme handelt,
also auch der USA. Indes zeigte sich der türkische Außenminister
Ismael Cem beim Treffen der europäischen Außenminister
in Luxemburg vom 16. April 2002 verhalten zuversichtlich, dass
Europa den oben beschriebenen Wünschen der Türkei entsprechen
werde. Andere führende türkische Politiker, wie der
"Europaminister" Mesut Yilmaz äußerten mit
größerer Bestimmtheit ihre Genugtuung. Demnach soll
in dieser Frage im Mai diesen Jahres entgültig entschieden
werden. Nur noch die Zwergstaaten Holland und Belgien hätten
weitere Bedenken angemeldet. Unbekümmerte mögen meinen,
das in der Europäischen Union gültige Konsensprinzip
würde eine solche Entscheidung nicht ermöglichen, Griechenland
und die skandinavischen Staaten würden für ein solches
Ansinnen nicht zu haben sein. Jedoch sind die kurdischen Bedenken
nicht aus der Luft gegriffen. Allzu oft waren ihre berechtigten
Forderungen Spielball übergeordneter Interessen. An dieser
Stelle sei an die Entscheidung der EU-Mitgliedsstaaten erinnert,
die Türkei in die Europäische Zollunion aufzunehmen.
Auch hier gab es lange Zeit große Widerstände, die
damals unter massivem politischen Druck der Vereinigten Staaten
egalisiert wurden. Aber auch die in Aussicht stehende Wiedervereinigung
führte zu einem Umdenken in der damaligen ablehnenden Haltung
Deutschlands. Eine Aufnahme der PKK in die oben genannte Liste
würde jedoch diejenigen Kräfte in der Türkei in
ihrer Auffassung bestätigen, die einen Beitritt auch ohne
reale Reformen für machbar halten. Gleichzeitig hoffen insbesondere
die Nationale Bewegungspartei (MHP) und Partei des Rechten Weges
(DYP) Abdullah Öcalan dem Henker übergeben zu können,
ohne die daraus erwachsenden internationalen Konsequenzen tragen
zu müssen. Auf nationaler Ebene nehmen sie diese billigend
in Kauf.
In der Lobby des Europaparlaments lässt sich immer wieder
in Erfahrung bringen, dass insbesondere konservative Politiker
über eine eventuelle Aufnahme der Türkei in die EU nicht
sehr begeistert sind. Vielmehr wünsche man sich eine größtmögliche
Anbindung der Türkei, die weitere Lasten für die Union
ausschließen würde. Diese ließe sich über
die Zollunion und ähnliche Abkommen bewerkstelligen. Die
zurückliegenden Wahlen in den Mitgliedstaaten haben das Pendel
zu Gunsten der Konservativen ausschlagen lassen. Es scheint, dass
sich dieser Trend in den weiteren Wahlen fortsetzen wird. Dies
wird zwangsläufig auch auf die politischen Konstellationen
innerhalb der Europäischen Union Auswirkungen haben. So auch
in der Haltung gegenüber der Türkei. Jedoch ist zu bezweifeln,
dass diese Haltung lange aufrecht zu erhalten ist, da die USA
einem Beitritt eine strategische Bedeutung beimisst. Denn für
die angestrebte Neuordnung im Mittleren Osten sind vorgeblich
willige Partner Mangelware und eine Türkei in der EU würde
in verschiedenster Hinsicht Vorteile für die Supermacht mit
sich bringen. Einerseits kann auf diese Weise das einzige islamisch
geprägte Mitglied der NATO definitiv an den Westen gebunden
werden, andererseits wäre man über ein verstärktes
indirektes "Mitspracherecht" durch aus erfreut. Deshalb
ist es denkbar, dass das Kurdenproblem bzw. die "PKK-Frage"
als politische Manövriermasse funktionalisiert wird. Dies
stimmt bedenklich. Jedoch die Zypernfrage, die noch offenstehenden
Fragen hinsichtlich des Aufbaus einer europäischen Armee
komplizieren die Sache. Klar ist, dass insbesondere Griechenland
auf eine einseitige Aufnahme des griechisch-zypriotischen Teils
drängt, wenn dieses Jahr eine Lösung des Zypernproblems
ausbleibt. Auch im diesbezüglichen Fahrplan der EU steht
der Punkt auf der diesjährigen Agenda.
Zweifellos ist es richtig, auf die vollständige Erfüllung
der "Kopenhagener Kriterien" zu drängen, bevor
über einen genauen Termin für die Aufnahme von Beitrittsgesprächen
entschieden werden kann. Nur so können die wirklichen Reformkräfte
in der Türkei an weiteren Einfluss gewinnen. Es ist jedoch
fraglich, ob dies auch bei den politischen Verantwortlichen innerhalb
der EU auch so gesehen wird. Dort werden die Friedensbemühungen
der kurdischen Seite nur allzu oft als Schwäche ausgelegt.
Deshalb tendieren viele Befürworter eines schnellen Beitritts
der Türkei zur EU oft zur Annahme, dass der kurdische Faktor
nur eine untergeordnete Rolle spielt. Kenner der Türkei jedoch
sprechen hier von einem Realitätsverlust. Insbesondere der
jüngste interne Lagebericht des deutschen Auswärtigen
Amtes scheint diese Annahme zu bestätigen. Dort erklärt
sich das Bestreben, die Türkei auch ohne große Veränderung
in die europäische Staatengemeinschaft aufzunehmen. Hier
wird versucht, die kurdische Demokratiebewegung aufzuspalten.
Die kurdische Problematik kann jedoch nicht einfach von der nun
KADEK heißenden Organisation getrennt werden, da gerade
ihr Friedenskurs den nach der völkerrechtswidrigen Verhaftung
Öcalans eingeleiteten Reformprozess ermöglichte. Alles
andere würde bedeuten, Ursachen und Wirkung zu verkennen.
Die Kurden im Sinne der Türkei zu stigmatisieren wäre
das falsche Signal, da dies fatale Folgen für Aussicht auf
eine zivile Lösung des türkisch-kurdischen Konfliktes
hätte. Dies zu verhindern muss die Aufgabe derjenigen sein,
die Stabilität und Sicherheit nur im langfristigen Ausgleich
gewährleistet sehen.
Deshalb appellieren wir an die europäische Staatengemeinschaft
Abstand zu nehmen, von den offensichtlichen Bestrebungen, eine
nunmehr politische Organisation zu stigmatisieren, die von einem
Großteil der kurdischen Bevölkerung unterstützt
wird. Des weiteren rufen wir die kritische Öffentlichkeit
und zivilgesellschaftlichen Institutionen dazu auf, gegen oben
genannte Bestrebungen zu protestieren.
Dem Frieden in der Türkei eine Chance! Demokratie jetzt!
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